Kapitel 7: Wiederaufrichtung nach dem zweiten Weltkrieg

1946 – 1959

Die amerikanischen Truppen hatten Oberkassel am 19. März 1945 besetzt. Für die Bevölkerung galt es vordringlich, den Bedarf des täglichen Lebens zu decken. Dies hieß vor allem Lebensmittel heranzuschaffen, denn es gab amtlich 1945 für jeden Deutschen nur eine Zuteilung von Durchschnittlich 1.150 Kalorien pro Tag. Vorgärten wurden zu Kleingärten umfunktioniert, um Kartoffeln und Gemüse anzubauen. Der Schwarzmarkthandel griff bald um sich und war eine Form der Besorgung der lebensnotwendigen Dinge. Die Volksschulen öffneten erst am 11. September 1946 wieder ihre Tore. Das Wirtschaftsleben lag fast völlig danieder. Die Oberkasseler Zementfabrik konnte erst im Mai 1946 wieder die Herstellung von Zement aufnehmen. Es würde zu weit führen, wollte man hier die Verhältnisse der Nachkriegszeit schildern. Diese sowie die der Kriegszeit selber sind in einer Ausgabe der Schriftenreihe des Heimatvereins ausführlich dargestellt. Festzuhalten bleibt, dass die Oberkasseler, wie auch die Bevölkerung in den Nachbarorten, im Jahre 1945 nicht daran dachten, Kirmes zu feiern, denn man hatte andere Sorgen.

Der Zusammenbruch des öffentlichen Lebens nach den furchtbaren Kriegsjahren 1939 – 1945 zeigte, dass auch das Vereinsleben der Dorfgemeinschaften zerstört war. Schlimm war die Gleichschaltungsdoktrin der NSDAP gewesen, die allen Vereinen das Führerprinzip aufzwang und ihnen ihre Individualität nahm. Auch die Bruderschaft musste damals darunter leiden. Im Jahre 1945 formierte sie sich noch nicht, zumal viele Mitglieder noch nicht aus dem Krieg zurückgekehrt waren.

Als sich im Jahre 1946 das Gemeindeleben allmählich normalisierte, hatte die katholische Kirchengemeinde den Wunsch, das Fronleichnamsfest wieder mit einer Prozession öffentlich zu feiern. Bis Kriegsanfang wurde hierbei von der Bruderschaft gemäß alter Tradition der Baldachin getragen. Diesen Brauch wieder aufzunehmen schlug das Ehrenmitglied Theo Trommeschläger jun. dem damaligen Pfarrer Bernhard Rosauer vor. Nach eingehender Beratung war der Pfarrer damit einverstanden.

Ehrenbrudermeister Jakob Limbach

Theo Trommeschläger jun. und der ehemalige Brudermeister Jakob Limbach luden daraufhin die ehemaligen Könige und die katholischen Junggesellen, die bereits vor dem Kriege Mitglied waren, zum 16. Juni 1946 zu einer Versammlung im Lokal zur Rheinlust (Inhaber H. Hei) ein. Es kamen von den ehemaligen Königen Rudolf Bergmann, Peter Wirges, Paul Klein, Theodor Trommeschläger sen., Franz Wirges, Hans Hübel, Adam Velten, Adolf Mittler, Heinrich Droisdorf, Peter Nuyen und Hermann Scheidt und als frühere Mitglieder Willi Dietzler, Paul Mohr, Peter Richarz und Johannes Schmitz. Jakob Limbach gedachte zunächst der gefallenen und verstorbenen Könige und Mitglieder. Viele Mitglieder waren noch vermisst oder in Gefangenschaft. Es wurde ein vorläufiger Vorstand berufen, dem Jakob Limbach, Theodor Trommeschläger, Willi Dietzler und Paul Mohr angehörten. Auf der Tagesordnung standen nur zwei Punkte: Das Fronleichnamsfest und das Wiederaufleben der Bruderschaft.

Theo Trommeschläger jun. berichtete über das Gespräch mit dem Pfarrer. Nach alter Tradition wurde der Baldachin stets von den Chargierten getragen. Weil aber von den verbliebenen neun Mitgliedern keiner Chargierter gewesen war, einigte man sich dahingehend, dass die vier jüngsten Könige den Baldachin, im Volksmund „Himmel“ genannt, tragen sollten. Zum zweiten Punkt, bei dem es um das Wiederaufleben der Bruderschaft ging, war man sich nach lebhafter Aussprache einig, dass ein formeller Akt nicht nötig sei, weil die kirchliche Bruderschaft 1935 nicht aufgelöst worden sei. Nun sollte bei allen interessierten Junggesellen geworben werden, damit diese Mitglieder wurden.

Das Echo bei den Oberkasseler Junggesellen war positiv, und am 13. Juli 1946 kam eine größere Anzahl von Junggesellen zu ihrer ersten Versammlung nach dem Krieg in dem Lokal Rheinischer Hof (Inh. Lene Hübel) zusammen. Der vorläufige Vorstand sprach mit ihnen über die Geschichte, die Tradition und den Sinn der Bruderschaft. Es wurde eifrig diskutiert, und alle waren bereit, Mitglied zu werden. Dann wählte man den neuen Vorstand, der sich wie folgt zusammensetzte: Willi Marner, 1. Brudermeister; Jakob Limbach, 2. Brudermeister; Heinrich Weber, Schriftführer; Karl Mittler, Kassierer; Josef Diefenthal, Eberhard Maier-Peveling und Walter Wolff als Fähnriche. Die ehemaligen Könige versicherten dem jungen, neugewählten Vorstand, ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen. Man beschloss auf dieser Versammlung, dass die Kirmes 1946 nach alter Bruderschaftstradition gefeiert werden sollte.

Die Kirmes nach alten Brauch zu feiern, war ein nicht gerade leichter Auftrag für den neuen Vorstand, denn bis zur Kirmes am 18. August 1946 waren es nur wenige Wochen. Mit Rat und Tathalfen hier die ehemaligen Könige und besonders Ehrenmitglied Theo Trommeschläger jun. und Jakob Limbach. Letzterer von den Junggesellen liebevoll „Kobes“ genannt, musste immer wieder Auskunft geben, wie das Brauchtum denn früher gehandhabt wurde. Schon im April 1946 hatten sich einige ältere Könige um den Schilderkranz bemüht. Diesen hatte der letzte König Peter Nuyen über den Krieg gerettet. Er hatte ihn vor dem Einmarsch der Amerikaner aus dem Tresor der Sparkasse geholt und zu Hause unter den Briketts im Keller versteckt. Kritisch wurde es allerdings, als nach dem Einmarsch der Amerikaner alle Oberkasseler Bürger, die zwischen Hauptstrasse und Rheinufer wohnten, binnen kurzer Zeit ihre Wohnungen räumen mussten. Auf einem Leiterwagen konnte Peter Nuyen seine notwendigste Habe – darunter der Schilderkranz – mitnehmen. Andere für den Schützenzug erforderliche Utensilien, wie Uniformen, Hirschfänger, Degen, Schärpen waren nur wenige vorhanden. Hier halfen die Nachbarbruderschaften Niederdollendorf und Plittersdorf dankenswerterweise aus.

Die Genehmigung der englischen Militärregierung vom 6. August 1946

Für den Umzug an den Kirmestagen 1946 war die Genehmigung der englischen Militärregierung in Siegburg notwendig. Hilfreich war ein Schreiben der Erzbruderschaft vom hl. Sebastianus in Leverkusen-Bürrig vom 27. Juli 1946, welche der Oberkasseler Bruderschaft die Mitgliedschaft in dieser Organisation bestätigte. Die Erzbruderschaft war von der Militärregierung anerkannt und in ihrem althergebrachten Auftreten genehmigt worden. Bürgermeister Mülhens unterstützte den Antrag der Bruderschaft, und so wurde dann auch der Kirmesumzug genehmigt. Nicht genehmigt wurden die Tradition des Königsvogel-schießens, das Böllerschießen und die Königsparade. Vor der Kirmes hatte noch jemand die Bruderschaft bei der englischen Militärregierung denunziert und angegeben, die Bruderschaft wolle einen militärischen Aufzug abhalten. Bürgermeister Mülhens konnte aber die Engländer davon überzeugen, daß dies nicht der Fall sei.

Am 27. Juli 1946 kamen im Rheinischen Hof 48 Junggesellen zusammen, um den Ablauf des Kirmesfestes 1946 zu besprechen. Da war zunächst die Diensteversteigerung. Eine Versteigerung war in Anbetracht der Nachkriegsverhältnisse nicht angebracht. Man einigte sich darauf, die Chargierten zu wählen. Der Gewählte zahlte dafür 10 RM in die Kasse und jedes Mitglied 5 RM, damit die Kosten des Umzuges gedeckt wurden. Wie erwähnt, war das Königsvogelschießen von der Militärregierung nicht genehmigt worden. Daher kam der Vorschlag, den neuen König nach demokratischen Grundsätzen zu wählen. Kandidaten sollten dabei die Mitglieder sein, die bereits 1937 in der Bruderschaft waren. Hiermit waren auch die ehemaligen Könige einverstanden. Die Wahl des Schützenkönigs sollte acht Tage vor der Kirmes sein. Der Gewählte sollte in die vollen Rechte und Pflichten eines Könis eintreten. Er hatte auch den Hofstaat zu bilden. Nach lebhafter Diskussion wurde beschlossen, dass der inzwischen verheiratete König des Jahres 1939, Peter Nuyen, bis zur Krönung des neuen Königs den Schilderkranz tragen solle. Dies sollte auch ein sichtbarer Ausdruck des Dankes sein für die Aufbewahrung des Schilderkranzes bis nach dem Kriege. Die Wahl des neuen Königs war auf den 10. August 1946 angesetzt, und zwar im Lokal Rheinischer Hof. Immerhin waren 42 Mitglieder erschienen. Nach Bekanntgabe der Wahlordnung wurde Paul Mohr mit 39 Stimmen in geheimer Wahl zum neuen Schützenkönig für das Jahr 1946/47 bestimmt. Nachdem die Oberkasseler Bürger durch ein Werbeblatt mit dem Programm zum Mitfeiern aufgerufen worden waren, konnte die Kirmes 1946 beginnen. Das Üben für den Schützenzug und die Parade kam noch nicht in Frage, aber das Aufstellen der Vogelstange mit dem Vogel auf der Halde des Steinbruchs Peter Uhrmacher fand statt. Schilderkranzputzen, Ständchen spielen und Wecken am Morgen durch die „Knüppelches Junge“ wurden ebenfalls durchgeführt. Das Trommler- und Pfeifencorps bestand aus vier Personen und zwar Franz Wirges, Christian Schmitz, Heinrich Noll und Peter Weinstock. Am Morgen wurden Hauptmann, Fähnriche, Brudermeister und Schützenkönig zur Prozession abgeholt. Nach dem Hochamt wurde der Kirmeswalzer gespielt und der Geistlichkeit die Fahne geschwenkt. Die Gefallenenehrung auf dem Marktplatz und das Fahneschwenken für die Bürgerschaft schlossen sich an.


Zu Ehren des Bürgermeister August Mülhens und Amtsdirektor Josef Schönenbrücher wird vor dem Rathaus Oberkassel die Fahne geschwenkt

Der erste Schützenzug nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von folgenden Chargierten und Begleitern durchgeführt:

Am Montagmorgen feierte man die heilige Messe für die Lebenden und Verstorbenen der Bruderschaft, ein Brauch der sich bis heute erhalten hat. Anschließend war die Festfeier zum 150jährigen Bestehen der Bruderschaft und zum 125jährigen Jubiläum der Schützen. Hinzu kam das Jubiläum von Adolf Mittler, der vor 25 Jahren Schützenkönig gewesen war. Es wurden gleichzeitig auch einige Jubiläen nachgeholt, die im Zweiten Weltkrieg nicht gefeiert werden konnten, und zwar von

Rudolf Bergmann, 60 Jahre König im Jahre 1943,
Peter Wirges, 50 Jahre König im Jahre 1941,
Adam Velten, 25 Jahre König im Jahre 1945.

Der Brudermeister Willi Marner führte bei der Begrüßungsansprache auch den Pfarrer Bernhard Rosauer als neuen Präses ein. Dieser hielt die Festansprache und überreichte den Jubilaren ihre Jubilarschilder. Amtsbürgermeister August Mülhens gratulierte im Namen der Gemeinde und die Vertreter der Ortsvereine für ihre Mitglieder. Der frühere Schützenkönig Hans Hübel dankte im Namen aller Jubilare für die Ehrungen. Bei der Festfeier wirkten auch die beiden Oberkasseler Gesangsvereine mit.

Der Schützenzug im Jahre 1946

Nachmittags war mit dem Schützenzug das Fahneschwenken bei Freunden und Gönnern verbunden. Der Festzug ging dann durch den Ort zum Hotel zur Post, wo wiederum der Kirmesball stattfand. Die Militärregierung hatte diesen bis 6.30 Uhr genehmigt. Wegen der Sperrstunde durfte bis zum Morgen der Saal nicht verlassen werden. Wollte ein Junggeselle schon früher nach Hause, dann kletterte er durch ein Fenster der Kegelbahn nach außen, denn die Türe der Gaststätte war zugesperrt.

Durch die Zeitverhältnisse bedingt, war am Dienstag kein Kirmesumzug mehr. Mit dem Einholen der Vogelstange und dem Verbrennen des Kirmeskerls am Rhein war am Mittwochabend die Kirmes 1946 zu Ende. Die erste Kirmes nach dem Kriege haben die Oberkasseler Bürger freudig mitgefeiert. War es doch nach sieben Jahren das erste gemeinsame Dorffest und auch etwas Ablenkung von den Alltagssorgen. Auch die finanzielle Unterstützung der Oberkasseler war groß, denn aus dem Erlös des Fahneschwenkens und den Saaleinnahmen konnte die Bruderschaft dem Pfarrer 300 RM für karitative Zwecke übergeben. 
Ein großes Verdienst an dem Gelingen der ersten Kirmes nach dem Krieg hat der Brudermeister Willi Marner. Mit ihm hat die Bruderschaft eine Persöhnlichkeit erhalten, die geradlinig die Ziele der Bruderschaft verfolgte. Er organisierte vor der Kirmesalles was für den Schützenzug erforderlich war. Fast täglich war er für die Bruderschaft unterwegs. Sein Arbeitgeber Rainer Pütz hatte als alter Oberkasseler hierfür viel Verständnis und unterstützte ihn. Willi Marner hat die Bruderschaft bis zu seiner Verheiratung im Jahre 1950 vorbildlich geführt und wurde zum Ehrenmitglied ernannt. Er verzog nach Langenfeld, wo er gleich der St. Sebastianus Schützenbruderschaft Langenfeld-Immigrath beitrat. Hier wurden er und seine Frau Lene das Schützenkönigspaar der Jahre 1963/64. Von 1967 bis 1988, also 21 Jahre, war er 1. Brudermeister in Langenfeld-Immigrath.

Brudermeister Willi Marner im Schützenzug

Nachdem sich der Vorstand von den Strapazen der Kirmeserholt hatte, lud er alle Mitglieder und die ehmaligen Schützenkönige mit ihren Angehörigen zu einem Familienabend am 6. Oktober 1946 in das Hotel zur Post ein. Der Saal war voll besetzt und die Jubilarkönige wurden durch Fahnenschwenken geehrt. Grosses Hallo gab es, als die beiden „Schlitze“ Willi Dreesbach und Jüppchen Weber mit dem in Plittersdorf mitgenommenen „Kirmeskääl“ in den Saal kamen. Sie tanzten mit ihm eine Extratour und marschierten dann im Paradeschritt aus dem Saal.

Das erste Vereinsjahr endete mit der Generalversammlung im März 1947. Der Versammlungsleiter, der ehemaliger Schützenkönig Hans Hübel, schlug vor, keinen neuen Vorstand zu wählen, sondern den alten in seinem Amt zu bestätigen. Dieser habe gut gearbeitet und sollte die schwierige Aufbauarbeit mit den gemachten Erfahrungen weiterführen. Die Versammlung war damit einverstanden. Der Brudermeister Willi Marner gab bekannt, dass die traditionelle Mailehenversteigerung wiederaufleben solle. Bei dem Maifest wolle man auch eine neue Schwenkfahne einweihen, weil die alte Fahne doch sehr verschlissen sei. Der Vorstand bemühe sich auch, verlorengegangene Uniformteile neu zu beschaffen, was aber schwierig sei.

Die Mailehenversteigerung fand am 30. April 1947 im Rheinischen Hof statt. Sie war gut besucht und es wurde eifrig geboten. Der Schützenkönig Paul Mohr hatte das Amt des Versteigerers übernommen. Maikönig wurde Josef Diefenthal, der mit der Rekordsumme von 1.001 RM Anneliese Strauß als Maikönigin ersteigerte. Danach zogen die Junggesellen aus, um für ihre Mädchen Maibäume zu schlagen. Das waren meistens junge Buchen mit den ersten zarten Blättern, hinzu kamen dann nach und nach auch die Birken, die im Wald in großer Zahl wuchsen. Bedauerlicherweise kam es in dieser Mainacht zu einem peinlichen Vorfall.

Das Maikönigspaar 1947:
Josef Diefenthal und Anneliese Strauß

Einigen Jugendlichen, darunter auch Mitglieder der Bruderschaft, erlaubte der Gärtner eines größeren Anwesens, Birken zu schlagen. In der Nacht bedrohten einige Jugendliche den Gärtner und fällten wahllos Bäume und beschädigten den Zaun des Anwesens. Sie hatten wohl die Verrohung durch den Krieg noch nicht überwunden. Der Besitzer des Parks zeigte am Tage darauf die Bruderschaft wegen Diebstahls an. Der Brudermeister Willi Marner wurde bei der Polizei vernommen und musste sich auch vor dem Amtsbürgermeister und dem Amtsdirektor verantworten. Er lehnte es ab, dass man die Bruderschaft für den Diebstahl verantwortlich machte. Mit Ende der Mailehenversteigerung sei die Veranstaltung der Bruderschaft zu Ende gewesen, was nachher geschehe sei Privatsache jedes einzelnen. Auch sei nicht bewiesen, dass nur Mitglieder der Bruderschaft die Übeltäter gewesen seien. Man bedauere die Angelegenheit und werde eine Versammlung einberufen. Zunächst war die Durchführung des Fahnenweihfestes in Frage gestellt. Nach Beratung mit dem Präses und einigen ehemaligen Königen war der Vorstand der Auffassung, dass das Fahnenweihfest durchgeführt werden solle. Allerdings sagten die Vertreter der örtlichen Behörden ihre Teilnahme ab.

Das Fahnenweihfest fand am ersten Maisonntag, dem 4. Mai 1947 statt. Die neue Fahne, ein Entwurf von dem ehemaligen Schützenkönig Hans Hübel, hatte das Wappen des Amtes Oberkassel als Symbol, eingerahmt von einem Eichenkranz. Auch das neue Vereinsabzeichen bekam das Wappen als Mittelpunkt und die Buchstaben des Vereinsnamens mit der Jahreszahl der Gründung 1794. Die Bürger halfen durch eine Sammlung mit, die Kosten der Anschaffung der Fahne aufzubringen. Alle Vereine von Oberkassel waren eingeladen worden, an der Feier auf dem Marktplatz und am Festzug teilzunehmen. Im Festhochamt hatte die Fahne ihre Weihe erhalten. Des Nachmittags zog ein Festzug durch den Ort zum Marktplatz. Hier begann die Feier mit dem Choral „Tochter Zion“, einem Liedvortrag des Quartettvereins und einem Prolog, den Resi Schröder sprach. Der Brudermeister Willi Marner dankte allen, die mitgeholfen hatten das Fest zu gestalten. Er enthüllte die neue Fahne, und der Fähnrich Walter Wolff schwenkte sie zum ersten mal. Der Maiball fand im Hotel zur Post statt. Er musste aber wegen der Vorfälle in der Nacht zum 1. Mai bereits um 23.00 Uhr beendet werden. Vorher hatte es aber noch einen Zwischenfall mit der englischen Besatzungsmacht gegeben. Die Englische Militärpolizei hatte einen Junggesellen, aus einem nicht bekannten Grunde,, im Hotel zur Post festgenommen. Sie setzten ihn hinten auf den Jeep. Hier hielt es unser Junggeselle nicht lange aus, er sprang am Kinkel-Denkmal vom fahrenden Jeep und verschwand im Dunkeln.

Fahnenweihfest am 4.5.1947
Die Fahne der Bruderschaft aus dem Jahr 1947

Der Alltag nach dem Krieg war schwer, und vieles, was man tat lag hart an der Grenze der Legalität; man denke an die Beschaffung der Brennstoffe oder an das „Fringsen“53 Trotz der Zeitumstände versuchte die Bruderschaft, auch zum Wohl der Allgemeinheit tätig zu werden. So waren 15 Junggesellen bei Aufräumungsarbeiten bombenzerstörter Häuser und beim säubern des Ehrenmals auf dem Marktplatz dabei.

Es galt nun die Vorbereitungen für die Kirmes 1947 zu treffen. Durch die Mitgliedschaft im Verband der historischen Schützenbruderschaften war es auch den Oberkasseler Junggesellen erlaubt wieder ein Königsvogelschiessen durchzuführen, allerdings nur mit der Armbrust. Eine solche lieh man sich bei dem Bäckermeister Strauch in Oberlar aus. Den Königsvogel herzustellen war nur ein Problem von vielen. Mit den Pfeilen der Armbrust einen Vogel aus Holz oder Gips zu zerstören, war nicht möglich. Die Junggesellen wussten sich zu helfen. Sie montierten auf einen Holzblock sechs weiß gestrichene Glühbirnen, die Kopf, Flügel, Rumpf und Füße symbolisch darstellten. Wer die letzte Glühbirne zerschoss, war Schützenkönig. Dies gelang Herbert Hambitzer, der seine Schwester Rose Hambitzer zur Königin nahm. Die Gemeindevertreter nahmen wieder an dem Fest teil, und Bürgermeister August Mülhens hielt bei der Krönung des neuen Königs die Festrede.

In dieser schwierigen Zeit erhielt man kaum etwas ohne Gegenleistung oder nur gegen viel Geld. Kleidung, Lebensmittel und Getränke waren fast nur im Tauschhandel zu erhalten. Auch die Zug- und Saalmusik stellte an die Bruderschaft ihre Bedingungen. Dank der Oberkasseler Geschäftsleute konnten dann die Musikanten bewirtet werden. Im Tanzsaal brachte jeder am Tisch etwas zu trinken mit. Viele hatten selbstgebrannten „Knolly Brandy“ dabei oder Wein, den man „gemaggelt“ (also eingetauscht) hatte. Jedenfalls stand eine bunte Getränkeauswahl auf dem Tisch. Der Wirt erhielt für jede Flasche ein sogenanntes „Stopfengeld“.

Der Schützenzug im Jahr 1948 zu Gast bei Franz Jaspers.
Dabei waren auch der frühere Bürgermeister Richard Nücker und Verleger Johannes Düppen

Bezeichnend für diese Zeit ist ein Beschluss des Vorstandes, der den Mitgliedern am 7. Juli 1947 bekanntgegeben wurde: „Durch die augenblickliche Notlage ist es fast allen Mitgliedern der Bruderschaft unmöglich, von den Hungerrationen ihr eigenes Dasein aufrechtzuerhalten. Es ist daher eine Selbstverständlichkeit, um jedem Mitglied die Ehre geben zu können, König zu werden, dass von dem früher damit als Verpflichtung verbundenen Königsessen Abstand genommen wird. Wir verbieten daher für die Zeit der augenblicklichen Notlage jegliches Essengeben seitens des neuen oder alten Königs. Wir weisen daher auch nochmals ausdrücklich darauf hin, dass es nicht angeht, wenn Tausende Flüchtlinge und ausgebombte heimatlose Menschen hungern, dass wir als älteste Ortsvereinigung von Oberkassel ein schlechtes Beispiel geben würden.“ In der schlechten Zeit nach dem Krieg kam auch ein alter Brauch wieder auf, am Kirmesdienstag bei den Geschäftsleuten die „Paradewurst“ zu holen, welche dann anschließend von den Zugteilnehmern verzehrt wurde.

Es war fast selbstverständlich, dass auf der Generalversammlung der Bruderschaft am 21. März 1948 Willi Marner einstimmig zum 1. Brudermeister gewählt wurde. In seiner Jahresbilanz konnte er stolz darauf hinweisen, dass die vergangene Kirmes 1947 trotz aller Schwierigkeiten in der alten Tradition durchgeführt wurde. Es fehlte aber auch nicht an mahnenden Worten, die Mitglieder möchten sich jederzeit für Glaube, Sitte und Heimat einsetzen. In dieser Versammlung wurde erstmals ein Vorstand der Ehemaligen Schützenkönige gewählt, der der Bruderschaft mit Rat und Tat zur Seite stehen soll. Gewählt wurden Theo Trommeschläger jun., Stephan Haletzki und Hans Hübel.

Die Mailehenversteigerung fand in der üblichen Weise am 30. April 1948 statt. Maikönigin wurde Marietherese Pesch und Maikönig Karl-Georg Fritz. Zuvor setzte die Bruderschaft für alle Mädchen im Ort auf dem Marktplatz einen Maibaum auf. Dies war beschlossen worden, um den Waldbestand zu schonen, und damit sich die unliebsamen Vorfälle des Vorjahres nicht wiederholen. Aber schon im nächsten Jahr wurde der alte Brauch, der Auserwählten einen eigenen Maibaum zu setzen, wieder aufgenommen.

Alle Planungen für die Kirmes 1948 wurden durch die Währungsreform zunichte gemacht. Hierdurch hatte die Bruderschaft von heute auf morgen kein Geld mehr. Wie es weitergehen sollte, diskutierte ein erweiteter Vorstand im Juli 1948. Man einigte sich, trotz aller Schwierigkeiten die in einem Monat anstehende Oberkasseler Kirmes durchzuführen. Die Oberkasseler Bürger bat man mit einer Haussammlung, zu den Kosten der Kirmes beizutragen. Bei der Fahnenfabrik in Bonn hatte die Bruderschaft bereits im April des Jahres eine neue Schwenkfahne, nach einem Entwurf von Peter Willmeroth, bestellt. Mit der Herstellerfirma traf man einen Zahlungsmodus, damit die Fahne rechtzeitig geliefert werden konnte.

Die Kirmes 1948 bekam durch die Fahnenweihe, die 700-Jahrfeier des Kölner Doms und das Jubilarkönigsschießen ihre besondere Bedeutung. Daran erinnern auch die Königsschilder des Schützenkönigs Josef Diefenthal und des Jubilarkönis Wilhelm Schmitz, denn auf beiden ist der Kölner Dom abgebildet. Auch in diesem Jahr schoss man wieder auf den „Glühbirnen-Vogel“.

Der Schützenzug im Jahr 1948, hier der 1.
und 2. Zug

Rudolf Bergmann, 90 Jahre alt, ältester ehemaliger Schützenkönig, feierte 1948 erstmals in der Geschichte der Bruderschaft, das seltene 65jährige Königsjubiläum. Frau Maria Kniffler, geborene Koch konnte ihr 50jähriges und Nikolaus Werner sein 25jähriges Jubiläum feiern. Bei der Festfeier am Dienstagmorgen hielt Franz Kissel die Festrede. Als Ehrengast wurde der frühere Bürgermeister Richard Nücker begrüßt, der immer ein Freund und Förderer der Bruderschaft gewesen war. Glückwünsche überbrachten Bürgermeister August Mülhens, Prinz Ernst August zur Lippe und für die Ortsvereine Hans Richarz.54 Theo Trommeschläger, der schon 1934 für seine langjährige Tätigkeit als Schriftführer zum Ehrenmitglied ernannt worden war, erhielt das erste „Treuschild“ der Bruderschaft. Der Gesangsverein „Cäcilia“ und der „Quartettverein“ verschönerten durch Liedvorträge die Festfeier. Das gemeinschaftliche Lied „Heil Dir, Du Jubilar“, das von dem Schützenkönig Wilhelm Commans stammt, beendete die harmonische Festversammlung. Der Festzug mit den Jubilaren und vielen ehemaligen Zugteilnehmern konnte am Nachmittag die Parade nicht durchführen, weil ein plötzlich einsetzender Platzregen alle durchnässt hatte. Trotzdem wurde der Königsball, zum ersten mal wieder im katholischen Vereinshaus, fröhlich abgehalten. Nach der Kirmes besuchte die Bruderschaft wieder die Veranstaltungen in Niederdollendorf und Plittersdorf.

Die Fahne der Bruderschaft aus dem Jahr 1948

In den folgenden Jahren gab es neben den anfallenden Jubiläen auch einige Änderungen. So wurde die Diensteversteigerung durch eine Wahl abgelöst. Nun konnte sich jedes Mitglied mit entsprechendem Alter als Kandidat melden, also nicht nur diejenigen, die schon etwas mehr Geld in der Tasche hatten. Im Jahre 1949 wurde das Vogelschiessen mit dem Luftgewehr gestattet. Der Königsvogel aus Holz hing schwebend in einem Reif und war mit Gipsplttchen an Bändern befestigt. Die Plättchen mussten durchschossen werden und war das letzte getroffen, fiel der Vogel zur Erde. Der erste, dem dies gelang, war Willi Dreesbach. Zur Königin nahm er sich Magdalene Bungarten. Im Jahre 1950 wurde der Königsvogel wieder hergestellt wie im Jahr vorher, allerdings schoss man jetzt mit einem Kleinkalibergewehr auf die Gipsplättchen. Hierbei war Willi Hey der glückliche Schütze, der sich Käthe Krämer zur Königin erwählte. Ab 1950 durfte auch wieder geböllert werden.


Die Oberkasseler bei einem Besuch in Plittersdorf, 1949

Erfreulich ist, dass auch die Kinder aus Oberkassel früher und auch heute noch Interesse am Schützenzug zeigen. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg bildeten sich Kinderschützenzüge in den Ortsteilen Hosterbach, Meerhausen und in der Magdalenenstraße (heute: Am Buschhof). Nach dem Kriege hatte auch der katholische Kindergarten unter Leitung der Schwester Serafin einen eigenen Kinderschützenzug. Er wurde zur Freude der Kinder und deren Eltern durchgeführt. Der Kinderschützenzug zog durch die Strassen von Oberkassel. Zum Abschluss wurde der gestiftete Kuchen als Königsessen verzehrt.

Kinderschützenzug in Hosterbach, Anfang der dreißiger Jahre
Schwester Serafin mit den Kindern des kath. Kindergartens, 1949

Zur Tradition der katholischen Pfarrgemeinde gehörte neben der Fronleichnamsprozession auch die Prozession Am Kirmessonntag durch den Ort. Diese nahm nach 1947 folgenden Weg: Von der Kirche über die Magdalenenstrasse (heute: Am Buschhof) durch die Kalkuhlstraße bis zur Ecke Alsstraße/Hauptstraße (Königswinterer Straße). Am Kaufhaus Peter Fenzl war der erste Segensaltar. Weiter ging es durch die Alsstrasse zur Wilhelmstraße (Adrianstraße). Hier war am Krankenhaus der zweite Segensaltar. Danach durch die Jakobstrasse zum Heiligenhäuschen an der Hauptstrasse (Königswinterer Straße), hier wurde der dritte Segen erteilt. Über die Hauptstrasse ging die Prozession zum Marktplatz, wo am Ehrenmal der vierte und letzte Segensaltar aufgebaut war. Von hier führte der Weg durch die Kirchstraße (Kastellstraße) zur Kirche zurück. Auf dem Weg wechselten sich die Offiziere und die Begleiter beim Tragen des Baldachins ab. Der immer stärker werdende Strassenverkehr war 1968 die Ursache dafür, dass Pfarrer Wiegelmann anstatt der Prozession eine Messe auf dem Schulhof feierte. Das hat sich bis heute erhalten, allerdings jetzt im Bürgerpark. Die Fronleichnamsprozession blieb bis heute bestehen. Sie geht aber nicht mehr auf dem letzten Teil ihres Weges über die Königswinterer Straße, sondern aus verkehrstechnischen Gründen durch die Simonstraße und Julius-Vorster-Straße zur Kirche zurück. Statt an dem Missionskreuz an der Ecke Kinkelstraße/Königswinterer Straße ist jetzt der letzte Segen in der Kirche. Die Offiziere und Begleiter tragen auch bei dieser Prozession den „Himmel“.

An der Wallfahrt nach Ahrweiler, die im September jeden Jahres stattfindet, nehmen die Mitglieder der Bruderschaft regelmäßig teil. Ein besonderes Ereignis für die Pfarre war die Fatima-Feier im September 1954. Dabei haben die Offiziere die Marienstatue, die in der Diözese Köln von Pfarre zu Pfarre weitergegeben wurde, von der Hardstrasse (Gemeindegrenze) in einer Prozession bis zur Kirche getragen. Alle Chargierten nahmen an der anschliessenden Feier teil. Es ist auch Brauch, bei einer Firmung den Bischof zur Kirche zu begleiten oder bei einer Primiz den Neupriester mit einer Fahnenabordnung abzuholen. Nach Weihnachten feiert die Bruderschaft das Fest der heiligen Familie als ihr eigentliches Patronatsfest. Nach der Gemeinsam gefeierten Messe trifft man sich zum gemeinsamen Frühstück. Die Teilnahme bei Einkehrtagen, die mit den Dollendorfer Bruderschaften gemeinsam gestaltet werden, der Besuch der Betstunden beim ewigen Gebet und die Teilnahme bei Beerdigungen verstorbener Mitglieder gehören mit zur kirchlichen Tradition der Bruderschaft.

Als Willi Marner 1950 wegen bevorstehender Heirat seinen verantwortungsvollen Posten als Brudermeister abgab, wurde der damalige 2. Brudermeister Karl Theil sein Nachfolger. Der Präses, Pfarrer Rosauer, dankte auf der Generalversammlung am 2. April 1950 dem ausscheidenden Brudermeister Willi Marner herzlich für die vorbildliche Arbeit, die er in den ersten Jahren nach dem Kriege geleistet hatte. Er war derjenige, der die Bruderschaft nicht nur geführt, sondern auch im christlichen Sinne geprägt hatte. Bei seinem Ausscheiden hatte die Bruderschaft 68 Junggesellen als Mitglieder. Im Jahre 1957 wurde Willi Marner Ehrenmitglied der Bruderschaft und erhielt das „Treueschild“. 

Ausflug der Bruderschaft nach Hammerstein, 1950
Von links: Maria Theil, Karl Theil (Brudermeister), Käthe Krämer (Schützenkönigin), Willi Hey (Schützenkönig), Agnes Laufenberg und Wimar Holtorf (2. Brudermeister)

In den ersten Jahren nach dem Krieg veranstaltete die Bruderschaft im Herbst einen internen Unterhaltungsabend. Durch die Veranstaltungen der Vereine fand dieser bald keinen Zuspruch mehr. Statt dessen machte die Bruderschaft im Oktober 1950 einen Ausflug zum Weinort Hammerstein. Für jedes Mitglied, das mitmachte, wurde aus der Kasse Fahrgeld und eine Flasche Wein und ein kleines Abendessen bezahlt. Einige Mitglieder des Mandolinenvereins spielten am Abend die Tanzmusik. Dieser Ausflug wird wegen seiner Weinseligkeit noch manchem in Erinnerung sein.

Der Krieg und die Verhältnisse der Nachkriegszeit hatten es verhindert, dass die Junggesellen früh heirateten. Nach der Währungsreform, spätestens etwa ab 1950, war ein größerer Drang zum Traualtar festzustellen. Mit der Verheiratung endete natürlich die aktive Mitgliedschaft in der Bruderschaft. Nun wurde von der Bruderschaft wieder ein Brauch aufgenommen, der schon früher bestand, nämlich „die Jue zo holle“. Ursprünglich war dies wohl ein Entgelt von Wein als Strafe für einen Freier, der den Junggesellen ein Mädchen wegheiratet. Seit wann der Brauch in Oberkassel ausgeübt wurde, ist nicht festzustellen. Wir können aber davon ausgehen, dass dies zumindest seit der Jahrhundertwende der Fall ist. Von der Nachbarbruderschaft Oberdollendorf wissen wir, dass dieser Brauch dort bereits im vorigen Jahrhundert ausgeübt wird und sinngemäß dem „Jue-Spruch“ unserer Bruderschaft gleicht.55Auch in Niederdollendorf und in Bodendorf an der Ahr wird der Junggesellenspruch heute noch vorgetragen. Der amtierende Schützenkönig hat vor Braut und Bräutigam folgenden „Jue-Spruch“ aufzusagen:

Guten Abend verehrte Hochzeitsgäste!
Wir Oberkasseler Junggesellen sind so frei und betreten dieses Haus
und fordern Braut und Bräutigam heraus.
Wir kommen nicht mit Ketten und Banden,
sondern mit dem St. Sebastianus-Stab, 
womit wir kommen,
die Macht zu fordern, die Jura.
So stellt uns Braut und Bräutigam her,
damit wir Euch sagen unser Begehr.
Guten Abend Herr Bräutigam und Jungfrau Braut!
Nun hört unser Verlangen,
womit ich nun werd anfangen.
Ich bitte Sie, wollen sich zu mir bekehren
und meine Worte mit Fleiß anhören.
Sie wollen mich aber nicht auslachen
wenn ich meine Sache nicht recht sollte machen,
denn als ich gestern daran studierte,
mich eine schöne Jungfrau fixierte,
sodaß ich mit ihr ging in ein Kämmerlein,
wo ich die ganze Nacht hab geschafft und gesessen
und da hab ich das Studieren ganz vergessen.
Ja, dabei hat sie mich zerkratzt und gebissen,
sodaß ich das Latein aus der Bibel hab gerissen.
Ja, ich kann Euch sagen,
je weniger Geld die Junggesellen haben,
desto mehr Durst haben sie.

Herr Bräutigam!
Jetzt bring ich hervor die erste Klage:
Sie sind in unseren Schafstall gedrungen und haben uns das allerschönste Schäflein herausgenommen, womit wir Junggesellen gar nicht einverstanden sind. Dafür sollt ihr uns zur Strafe geben: Einen Ohm guten Wein, einen halben Ohm Branntwein´, und drei Berliner Taler, die möchten uns Junggesellen heute abend wohl sein.

Herr Bräutigam!
Jetzt bring ich hervor die zweite Klage : 
Sie sind in unseren Rosengarten gestiegen und haben das allerschönste Röslein, welches darin stand, herausgenommen. Und da sie gewillt sind, dieses Hellblühende in ihr Lustzimmer einzuführen, wollen sie uns zur Strafe geben: Zwei Ohm guten Wein, einen Ohm Branntwein, und zwölf Taler bares Geld, welches meinen Mitgesellen recht schön gefällt.

Herr Bräutigam!
Jetzt bringe ich hervor die letzte, die allergrößte Klage:
Sie ist gewesen weder Rose noch Blümelein, sondern die allerschönste Jungfrau Dein. Sie ist diejenige, auf die wir Junggesellen all unsere Lust und Freundschaft gesetzt haben. Wir haben sie bewahrt bis in die zwanziger Jahre vor allen Räubereien, Feuer, Wasser und Brand, und es hat sich auch niemand erkühnt, dieses hellblühende anzurühren, sodaß sie ihren ersten Glanz noch nicht verloren hat. Sie ist reiner als eine Glocke und schöner als Samt und Seide. Hierfür sollt ihr uns geben: ¼ Ohm Weinfür einen Gratistrunk, das soll aber nur geschehen aus reinem Herzensgrund. 

Dann wünschen wir dem Herren Bräutigam zur Hochzeit ein fettes Rind und der Jungfrau Braut nach verflossener Zeit ein Kind: Im ersten Jahr ein Knäblein im zweiten Jahr ein Mägdelein und so fort, bis die Zahl zwölf mag sein. Doch lasset Eure Kinder gut unterrichten, damit sie kommen zur Erkenntnis ihrer Pflicht, denn ein goldener Kopf ist mehr Wert als ein goldener Hut, und ein studierender Kopf als alles Hab und gut.
Dann wünschen wir dem Brautpaar nur Freude -kein Leid,
nur Rosen – keine Dornen,
nur Sonne – keinen Schatten.
Sind nun diese meine Worte nicht richtig gesprochen, so gebet uns das Fleisch und behaltet die Knochen, 
so gebet uns die jungen Hahnen, der Blinde erschlag den Lahmen,
so gebet uns das Fleisch, damit Euch der Hund nicht beist.
Dann wollen wir mit Freuden sprechen:
Es leben hoch der Bräutigam und die Jungfrau Braut!
Wir sagen Euch Dank und wünschen Euch viel Glück und Segen im neuen Haushalt.

Ein Jubiläum wird von der Bruderschaft seit jeher besonders gefeiert. Hat ein Schützenkönig sein fünfzigstes, sechzigstes oder gar sein fünfundsechzigstes Königsjubiläum, wird dies mit einem Festkommers und einem großen Schützenzug unter Beteiligung der inaktiven ehemaligen Mitglieder gefeiert. Sie gehen dann als dritter Zug mit Zugoffizier, Fähnrich und Hauptmann, manchmal mit eigenem Tambour-Corps, mit. So auch wieder im Jahre 1951, als Ludwig Lenz sein 50jähriges Jubiläum feiern konnte. Dies war Anlass für die ehemaligen Könige einen Jubilarkönig auszuschiessen. Hans Hübel wurde Jubilarkönig und Eberhard Hambitzer konnte den Treffer für den 100. Schützenkönig der Bruderschaft anbringen. Seine Königin war Hilde Keller. Die Festrede bei der Jubelfeier hielt Pfarr-Rektor Hallerbach, ein gebürtiger Oberkasseler. Er konnte bei der Ansprache einige Anekdötchen von der Kirmes erzählen. Wenn möglich, hat man für die Festansprachen immer Persöhnlichkeiten gebeten, die ihre Heimat liebten und die Tradition der Bruderschaft kannten. Es führt zu weit, wenn hier der Ablauf jeden Jubiläums geschildert würde, zumal sich diese in der äußeren Gestaltung ähneln.56

Hans Otten wurde 1952 Schützenkönig und zu seiner Königin erwählte er sich Marlene Knipp. Leider trübte in diesem Jahr ein Unfall beim Böllern die Stimmung. Ein falscher Schuss verletzte den Böllermeister Jakob Bock im Gesicht und an einem Auge. Das Böllern geschah damals noch mit einem Böller-Mörser. Zum Vogelschiessen hatte Herr Wilhelm Wimmeroth vom Kleinkaliber-Sportverein die Gewehre geliehen. Er war es dann, der nach dem Unfall eine ungefährlichere Böllerkanone anfertigte. Die Gemeinde spendete hierfür das Gestell und die Räder einer alten Feuerwehrspritze. Die Böllerkanone wurde 1954 in Betrieb genommen.

Einige Ereignisse außerhalb der Kirmes sollten hier noch kurz erwähnt werden. Der Präses, Pfarrer Rosauer, hatte die Mitglieder der Bruderschaft gebeten, bei der Neugestaltung des alten Friedhofes an der Kirche mitzuhelfen. Es wurden Unkraut und Gestrüpp entfernt und die Gräber teilweise eingeebnet. – Anläßlich der Firmung am 31.Mai 1954 durch den Weihbischof Ferche nahm eine Abordnung der Bruderschaft an dem Festgottesdienst teil. – Vor der Kirmes 1954 gab es in der katholischen Pfarrgemeinde ein seltenes Fest. Pater Placidus Mittler feierte am 1. August 1954 in seiner Heimatgemeinde Oberkassel Primiz. Die Chargierten der Bruderschaft begleiteten ihn zur Kirche. Der Brudermeister gratulierte auch im Namen der Ortsvereine und überreichte als Geschenk eine Beichtstola. Der damalige Primiziant ist heute Abt des Benediktinerklosters auf dem Michelsberg zu Siegburg.

Die Kirmes und das Maifest verliefen in den nächsten Jahren nach alter Tradition und ohne besondere Vorkommnisse. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Schilderung der folgenden Jahre verzichtet, soweit nicht wichtige Ereignisse einer Erwähnung bedürfen. Die jeweiligen Könige und Königinnen sind in der Anlage aufgeführt.