Kapitel 5: Mehrere Jubiläen und viele Theateraufführungen

1919 – 1932

Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg hatte sich auch in Oberkassel vieles geändert. Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren katastrophal, Hunger und Arbeitslosigkeit prägten den Alltag. Zunächst waren kanadische, dann englische und ab Februar 1920 französische Besatzungstruppen im Ort. Eine Kirmes mit Schützenzug im Jahre 1919 zu halten war einfach nicht möglich, weil die Vorraussetzungen hierfür noch nicht gegeben waren. Nun war aber das Jahr 1919 für die Bruderschaft ein ganz besonderes Jubiläumsjahr, denn sie bestand seit 125 Jahren, und seit einem Jahrhundert wurde ein Schützenzug mit Königsschießen veranstaltet.

Johann Gemein war der letzte Brudermeister vor dem 1. Weltkrieg gewesen. Er berief die Mitglieder der Bruderschaft zu einer Versammlung ein, zu der er vorher die Genehmigung der Besatzungsmächte eingeholt hatte. Sie fand am 30.8.1919 im Restaurant Hübel statt. Auf dieser Versammlung gedachte man zuerst der 12 Bruderschaftsmitglieder, die im Krieg gefallen waren. Dann wurde Nikolaus Werner zum 1. Brudermeister gewählt. Wie sich später zeigte, hatte die Bruderschaft mit diesem Mann eine gute Wahl getroffen. Schon auf dieser ersten Versammlung nach dem Krieg wurde angeregt, das große Jubiläum der Bruderschaft zu feiern. Dies war aber nicht mehr im Jahre 1919 zu schaffen. Noch drei weitere Versammlungen unter Einbeziehung der alten Könige folgten, und das Programm für das Jubiläum stand, welches dann im Mai 1920 gefeiert wurde.

Das Jubelfest anlässlich des 100jährigen Bestehens der „Schützenbruderschaft“ am 8. und 9. Mai 1920 fand eine große Beteiligung bei den übrigen Ortsvereinen und vor allem bei der Bevölkerung.37 Es war schließlich das erste Dorf- und Heimatfest seit 1914. Der Brudermeister Nikolaus Werner hatte durch persöhnliche Rücksprache bei der französischen Besatzungsmacht in Siegburg erreicht, dass das Jubelfest nach alter Tradition durchgeführt werden konnte. Samstagabend fand ein Fackelzug durch den Ort statt und danach eine Festversammlung im katholischen Vereinshaus. Nach dem Grußwort des Bürgermeisters Richard Nücker hielt Prof. Dr. Kappes die Festrede. Eine aufwendig gestaltete Bilderchronik wurde von Christian Schonauer der Bruderschaft überreicht. Am Sonntagmorgen war bereits um 5.00 Uhr Wecken durch das Tambourcorps. Nach dem Hochamt wurde zu Ehren des Pfarrers auf dem Schulhof, der die Zuschauermengen nicht fassen konnte, die Fahne geschwenkt. Auch zum Vogelschießen hatte sich eine große Menschenmenge eingefunden. Den Vogel für das Jahr 1919 schoss Johann Holtorf, der Gretchen Bertram zur Königin erkor. Jubilarkönig wurde Johann Lenz, der eigens von Düsseldorf angereist war.

Die Festlichkeiten des Jubiläums waren ohne unliebsame Zwischenfälle verlaufen, hatten aber der Bruderschaft Schulden in Höhe von 1.394,10 Mark gebracht. Der Brudermeister Peter Betz teilte dem Bürgermeister von Oberkassel seine Sorgen mit und erwähnte, dass man zur Deckung des Fehlbetrages wahrscheinlich die Wertsachen der Bruderschaft verkaufen müsste.38 Der Gemeinderat ließ es soweit nicht kommen und genehmigte einen Zuschuss von 700,00 Mark. Die Oberkasseler Kirmes wurde im August des Jahres 1920 wieder in altbewährter Weise durchgeführt. Die Bruderschaft hatte sich auch finanziell wieder erholt, denn schon im nächsten Jahr bestellte sie bei der Godesberger Fahnenfabrik eine neue Schwenkfahne.

Seite-36_-gruppe

Der Schützenzug mit dem Königspaar
Johann Holtorf und Gretchen Bertram in Meerhausen, 1920

Es darf nicht vergessen werden, dass Oberkassel von den Siegermächten besetztes Gebiet war und alle Veranstaltungen von der „Hohen Interalliierten Rheinlandkomission“ in Siegburg genehmigt werden mussten. Diese machte dann auch für das Fahnenweihfest am 7.5.1922 folgende Auflagen:

  1. Dass das Beflaggen der Häuser am 6. und 7. Mai unter der Bedingung steht, dass sich dabei keine Fahnen in Nationalfarben finden.
  2. Dass das Böllerschießen am 6. und 7. Mai bewilligt wird, wenn es im Zusammenhang mit den örtlichen Polizeiregeln geschieht.
  3. Dass der Festzug am 7. Mai nur unter der Bedingung bewilligt wird, dass er nicht im Gleichschritt stattfindet.

Der deligierte der H.C.I.T.R.
Siegburg
gez. Conrcy

Diese einschränkenden Bestimmungen, hinzu kam noch das Verbot des Parademarsches und der militärischen Kommandos, mussten bis zum Abzug der Besatzungsmächte aus dem Rheinland eingehalten werden. Während der Brudermeister Nikolaus Werner im ersten Jahr bei der französischen Besatzungsmacht viel Verständnis fand, war es ein paar Jahre später schwieriger geworden. Bei einer Kirmes wurde von einem französischen Offizier der Schützenzug beobachtet, um festzustellen, ob auch alle Auflagen eingehalten würden. Werner ging mit dem Offizier am Mittag in die Gaststätte Lippischer Hof am Marktplatz und trank ein Glas Wein mit ihm, wobei der Offizier darauf hinwies, dass der Marschtritt nicht erlaubt sei und er im Wiederholungsfall den Schützenzug verbieten müsse. Der Brudermeister entfernte sich dann aus dem Lokal, wobei ihm der Gastwirt Nielsen ins Ohr flüsterte: „überlass den Franzosen mir“. Er gab ihm zum guten Mittagessen soviel Wein, dass er am Nachmittag den Schützenzug nicht mehr gesehen hat.

Seite-37_-faehnrich

Fähnrich Franz Wirges mit den Begleitern
Josef Wichterich und Heinz Rönz, 1926

Wie man sich denken kann, nahm die Bruderschaft freudig an der Feier zur Rheinlandbefreiung in der Nacht vom 31.1. auf den 1.2.1926 teil. Auf dem Marktplatz schwenkten die Fähnriche Franz Wirges und Wilhelm Kurth die Fahne der Bruderschaft.

Im Inflationsjahr 1923 waren die Vorraussetzungen, eine Kirmes zu feiern, denkbar schlecht. Der Beitrag zur Bruderschaft betrug am 1.7.1923 als Monatsbetrag 115.000 Mark. Der Wert des Geldes sank von Woche zu Woche. Der Dollarkurs betrug Mitte August 1923: 1 Dollar = 3.800.000 Mark! Die Preise für Brot wurden am 19.8.1923 wie folgt festgesetzt: ¾ Pfund Graubrot = 115.000 und für Schwarzbrot = 95.000 Mark. Der Notzeit entsprechend wurde die Kirmes 1923 nur verkürzt durchgeführt. Bereits sonntags fand das Königsvogelschießen statt, bei dem Nikolaus Werner den Vogel von der Stange holte. Seine Königin war Elise Braschoß. Die Begleiterpaare hießen Wilhelm Kurth und Agnes Braschoß sowie Mattias Krahe und Anna Thomas. Der Königsball fand im Lokal Hübel statt. Montags war dann kein Umzug, sondern nur ein Kirmesball.

Trotz aller Schwierigkeiten, insbesondere finanzieller Art, wurden die anfallenden Jubiläen in echt rheinischer Art gefeiert. Außer dem bereits geschilderten 100jährigen Jubiläum als Schützenbruderschaft fielen noch einige andere Jubiläen an. Da war als nächstes die Jahrtausendfeier des Rheinlandes. Aus diesem Anlass wurde ein Jubilarkönig, man nannte ihn den „Jahrtausendkönig“, ausgeschossen. Dieses Fest fand am 10.5.1925 statt und war mit einer Fahnenweihe verbunden. Jubilarkönig wurde Johann Künzler.

Zur Wiederkehr des 50, Königsjahres von Peter Thomas, ihrem ältesten Schützenkönig, hatte die Bruderschaft alle inzwischen verheirateten Mitgliedern aufgerufen, an dem Festzug am 6.5.1928 teilzunehmen. Schon die Festfeier am Samstagabend zeigte, welche Wertschätzung der Jubilar genoß. Die Begrüßungsrede hielt der 1. Brudermeister Theodor Trommeschläger, Bürgermeister Nücker gratulierte im Namen der Gemeinde Oberkassel, die Festrede hielt Wilhelm Commans, und für die ehemaligen Königinnen gratullierte Gertrud Düppen.39 Der Festzug am Sonntag war sehenswert. Nahmen doch die ehemaligen Zugteilnehmer in großer Zahl, unter dem Kommando des 88jährigen Hauptmannes Stefan Rhein, teil. Fünf Fähnriche zeigten ihre Kunst beim Fahnenschwenken. Dieses Jubiläum war ein großes Fest für die ganze Gemeinde Oberkassel.

Seite-38_-kroenung

Krönung auf dem Marktplatz, 1930

Schon zwei Jahre später konnte die Bruderschaft zur Kirmes 1930 das goldene Jubelfest des Johann Künzler sen. feiern. Es begann am Kirmesdienstag mit einer Festfeier im kath. Vereinshaus. Die Festfeier und die Königsparade auf der Hauptstrasse, an der 42 ehemalige und 46 aktive Mitglieder teilnahmen, gestalteten sich ähnlich wie die vorhergehende Jubelfeier des Peter Thomas. Trotz aller zeitbedingten Schwierigkeiten nahm das Fest einen harmonischen Verlauf.40

Auch im nächsten Jahr konnte man wieder ein goldenes Königsjubiläum feiern, das des Wilhelm Commans, eines ortsbekannten Heimatfreundes. Weil im Jahr 1931 nur Sonntag und Montag ein Schützenkönig durch den Ort ging, war der Kirmesdienstag dem Jubilar gewidmet. Die Festrede hielt der älteste der ehemaligen Schützenkönige, Peter Thomas, und Gertrud Düppen sprach den Festprolog. Glückwünsche überbrachten unter anderem der Gemeindevorsteher Wilhelm Thomas und für den Verband der Ortsvereine deren Vorsitzender Johann Hoitz.41
Natürlich fielen in den zwanziger Jahren auch 25- und 40jährige Jubiläen an. Die Jubilare wurden durch Fahnenschwenken geehrt, ein besonderer Festakt fand aber nicht statt.

Es ist schon erstaunlich, wie es die Bruderschaft fertigbrachte, trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage einen Schützenzug und die Tanzveranstaltung durchzuführen. Allerdings wurde 1927 darüber nachgedacht, die Kirmesfeierlichkeiten ausfallen zu lassen. In der Presse erschien ein Artikel mit der Überschrift „Ohne Schützenzug keine Kirmes“, und er wies darauf hin, dass die Bruderschaft ohne finanzielle Hilfe der Oberkasseler Bevölkerung den Kirmesaufzug nicht halten könne.42 Auf einer Monatsversammlung wurde bekannt, dass bei Ausfall der Kirmesfestlichkeiten die St. Hubertus-Schützengesellschaft sich bereit erklärt hätte, den Schützenzug durchzuführen und auch bei der Prozession den Baldachin zu tragen. Soweit ließ es die Bruderschaft dann doch nicht kommen und führte die Kirmes 1927 nach altem Brauch durch.

Die Kirmesveranstaltungen der Bruderschaft in den zwanziger Jahren liefen im wesentlichen in der traditionellen Weise und der heute noch üblichen Reihenfolge ab. Dennoch gab es einige Änderungen, die erwähnenswert sind. Die Königskrönung wurde früher direkt auf dem Schießstand vorgenommen. Erstmalig zur Kirmes 1928 fand sie auf dem Marktplatz statt. Auch wurde damals beschlossen, dass die alten Könige an der Königskrönung teilnehmen, das war offensichtlich bis dahin nicht der Fall gewesen.

Bis 1924 wurde das Königsvogelschießen auf dem Schießstand der St. Hubertus-Schützengesellschaft am Märchensee ausgetragen. Von 1925 an wurde im Steinbruch von Peter Uhrmacher geschossen. Eine weitere Änderung wurde auf einer Versammlung am 5.8.1928 beschlossen. Man wollte nicht, dass ein Mitglied zweimal Schützenkönig wird, und bestimmte, dass der Junggeselle, der bereits König gewesen ist, nur einen Ehrenschuss abgeben dürfte. Allerdings könne er für ein Mitglied, welches nicht in der Lage sei, selbst zu schießen, stellvertretend den Schuss abgeben, allerdings müsse das jeweilige Mitglied die linke Hand auf das Gewehr legen.

Eine Besonderheit hatte das Vogelschießen bei der Kirmes 1929. Schon nach den ersten Schüssen hatte der 1. Brudermeister Mathias Krahe den Vogel heruntergeholt. Unter dem Jubel der Zuschauer wurde er beglückwünscht, aber zu früh. Der Vogel war mit der Eisenstange heruntergekommen, während nach mündlicher Überlieferung der Vogel geteilt zur Erde fallen muss. Der Vogel wurde daher wieder auf die Stange gesetzt, und das Ringen um die Königswürde begann erneut. Gegen 14.00 Uhr beim 96. Schuss gelang es dem langjährigen Fähnrich Franz Wirges, die Königswürde zu erringen.

Schon bald nach Ende des 1. Weltkrieges führten die Oberkasseler Vereine etliche Theaterstücke auf. Auch die Bruderschaft hatte bereits am 18.1.1920 zu einem humoristischen Theaterabend eingeladen, und dieser wurde mit gutem Besuch belohnt. Auch im folgenden Jahr wurde ein Theaterabend gehalten, und so setzten sich diese Aufführungen fast in jedem Winterhalbjahr fort. So spielte man im Jahre 1927 „Der Sohn des Kreuzfahrers“. Oberkassel wurde in den zwanziger Jahren auch bekannt durch sein Naturtheater am Märchensee. Hier fanden sogar Aufführungen der Kölner Oper statt.

Seite-39_-theater

Die Aufführung des Theaterstückes „Spielbähn“, 1931

Auf der Mitgliederversammlung am 26.9.1931 beschloss die Bruderschaft, wieder ein Theaterstück aufzuführen und wählte das Stück „Spielbähn“ aus, das Christian Schonauer verfasst hatte. Wer war „Spielbähn“? Dieser hieß richtig Bernhard Rembolt und wurde 1689 in Eschmar bei Siegburg geboren. Er machte für die Mönche auf dem Michelsberg Besorgungen und Botengänge. Der Abt hatte ihm eine Geige geschenkt, weil er offensichtlich musikalisch begabt war. Man nannte ihn daher „Spielbähn“, aber auch der „Lügbähn“ machte die Runde. Dies kam daher, weil er merkwürdige Prophezeihungen machte, die auch eingetreten sein sollen. Bekannt ist der Brand der Abtei auf dem Michelsberg, den er vorhergesagt hatte. Weil man ihn der Brandstiftung verdächtigte, musste er mehrere Monate in Honnef einsitzen.43

Der Verfasser des Stückes, Christian Schonauer, hatte Spielbähn in unsere Heimat verpflanzt und das Leben und Treiben des Volkes in der napoleonischen Zeit geschildert. So traten der Abt von Heisterbach, der Bürgermeister Hülder von Dollendorf, aber Winzer aus Oberkassel auf. Altes Brauchtum, z. B. das Aufsagen des „Jü-Spruches“ am Polterabend, wurde dargestellt. Die Spielleitung und das Bühnenbild hatte Hans Hübel übernommen, und Lehrer Kissel leistete bei den letzten beiden Proben Hilfestellung. Die Hauptrolle des „Spielbähn“ lag bei Karl Neunkirchen. Insgesamt waren noch 56 Mitspieler im Einsatz, fast alle von der Bruderschaft. Auch drei Damen, nämlich Gertrud Düppen, Hilde Holtorf und Maria Ehl, hatten eine Rolle bekommen.

Der Andrang war so groß , dass eine Wiederholung am 19.11.1931 erfolgen musste. Es wurde ein Überschuss erziehlt, denn 75,00 Mk konnten dem Pastor für die Caritashilfe übergeben werden und dies bei einem Eintrittspreis von 40 Pfg.

Die Aktivitäten der Bruderschaft waren vielfältig. Die Jahresausflüge mit Familienangehörigen waren beliebt, so fuhr man nach Oberwinter (1925), nach Linz (1926) und nach Hammerstein (1928). Nach den Ausflügen traf man sich meist noch in der Gaststätte „Zur Rheinlust“ in der Kirchstraße (heute Kastellstraße) bei der Wirtin Hei, von Junggesellen liebevoll „Tant“ genannt.

Seite-40_-karren

Schürreskarrenrennen, 1926

Im Jahre 1926 hatte sich die Bruderschaft etwas besonderes als Volksbelustigung ausgedacht, nämlich ein „Schürreskarrenrennen“ auf der Wilhelmstraße (heute Adrianstraße). Es wird hiervon berichtet, dass viele Läufer nicht ankamen, weil die Strecke von 80 Metern zu lang war. Erster Sieger wurde Hermann Hürter, zweiter Hans Hübel und dritter Wilhelm Krebs. Im Jahr darauf, am 23.10.1927 hatte man auf der Wilhelmstraße einen anderen Wettkampf angesetzt und zwar das „Fassrollen“. Als Sieger gingen hervor: Paul Jungbluth, Karl Neunkirchen und an dritter Stelle Gerhard Schmitz.

Seite-42_-koenig

Schützenkönigspaar Bernhard Alfter
und Magdalene Käufer, 1927

Auf dem Familienfest am 23.10.1927 wurde der neue Pastor, Johannes Averdung, als Präses der Bruderschaft eingeführt. Er war ein beliebter Seelenhirte, nicht nur bei den Junggesellen sondern in der ganzen Gemeinde. Nach den Statuten ist der jeweilige Pastor kraft seines Amtes der Präses der Bruderschaft. Averdung war stets um das Seelenheil der Mitglieder der Bruderschaft besorgt und empfahl bereits auf der nächsten Jahreshauptversammlung, dass die wegen Heirat ausscheidenden Mitglieder der Bruderschaft an die St. Sebastianus-Bruderschaft überwiesen werden sollten. Auf der Jahreshauptversammlung am 9.12.1928 stand der Zusammenschluss mit der St. Sebastianus-Bruderschaft auf der Tagesordnung. Es wurde eine längere Debatte hierüber geführt, aber zu einem Beschluss kam es nicht. Averdung schlug vor, dass vor der vierteljährlich stattfindenden hl. Kommunion der Mitglieder ein Vortragsabend gehalten werden soll. Er erinnerte immer wieder an die Erfüllung der religiösen Pflichten der Mitglieder.

Am 10.4.1932 beteiligte sich die Bruderschaft an der Primizfeier des Paters Paul Mensing. Die Offiziersdienste begleiteten den Primizianten zur Kirche und zurück zur Wohnung. Die Bruderschaft hatte die Ausschmückung der Strasse übernommen. Schließlich übermittelte der 1. Brudermeister Hans Hübel im Namen aller Ortsvereine die Glückwünsche.

Die Kirmes des Jahres 1932 spiegelte die Zeitverhältnisse wieder. Nach den Berichten aus dieser Zeit waren über die Hälfte der Mitglieder der Bruderschaft arbeitslos. Der Vorstand hatte nichts unversucht gelassen, um auch in dieser Notzeit die Kirmes an drei Tagen durchzuführen, aber diese Bemühungen blieben ohne Erfolg. Es wurde in diesem Jahr nur ein Schützenzug mit Parade am Kirmessonntag durchgeführt. Kirmesmontag und -dienstag fand kein Umzug durch den Ort statt, und auch das Königsvogelschießen fiel aus. Es schien fast, als hätte Petrus auch mitgespielt, denn die Prozession am Sonntagmorgen konnte wegen eines Gwitterregens nicht den gewohnten Weg durch Oberkassel gehen. Die Bruderschaft trug den Ausfall mit Humor und hielt am Kirmesdienstag auf dem Schulhof eine lustige Gerichtssitzung ab. Angeklagt war der „ärme Kirmeskärl“, dem vorgeworfen wurde, er habe in diesem Jahr nicht für die ordnungsmäßige Durchführung der Oberkasseler Kirmes gesorgt. Als Zeugen wurden die Gastwirte gehört, denen der Verdienst entgangen war, und drei Oberkasseler Mädchen. Letztere beschwerten sich, weil sie nicht Königin oder doch wenigstens Begleiterin geworden waren. Schließlich wurde der „ärme Kirmeskärl“ zum Tode durch erhängen verurteilt.

87

Königspaar Hans und Else Hübel, 1931

Weil 1932 kein neuer Schützenkönig ermittelt wurde, blieb das vorjährige Königspaar Hans Hübel und seine Schwester Else Hübel auch in diesem Jahr noch amtierendes Schützenkönigspaar. Erst 1933 wurde wieder auf den Vogel geschossen und mit Willi Düppen ein neuer König gekrönt.

Aus den zwanziger Jahren stammt der zum Teil heute noch vorhandene Brauch der Bruderschaften, sich gegenseitig zu besuchen. Meist Dienstags kamen die Nachbarbruderschaften aus Ober- und Niederdollendorf, Mehlem und Plittersdorf zum Kirmesball nach Oberkassel. Die guten nachbarschaftlichen Beziehungen kamen auch dadurch zum Ausdruck, dass man sich gegenseitig Uniformstücke und Gewehre auslieh. Zur Kirmes 1926 liehen sich die Oberkasseler Junggesellen für ihren Schützenzug 25 Gewehre von der St. Sebastianus-Bruderschaft Oberdollendorf aus.

Ohne Zweifel hatte die Bruderschaft in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten viele Höhepunkte in ihrer Geschichte. Dies ist auch ein Verdienst der jeweiligen Vorstände, aber besonders der damaligen Brudermeister. Es waren dies in den Jahren 1919 bis 1932 Peter Betz, Bernhard Alfter, Theo Trommeschläger, Mathias Krahe und Hans Hübel. Den langjährigen 2. Brudermeister Jakob Limbach muss man ebenfalls dazurechnen.